Theater "Hamlet" Rezension
Sein oder nicht sein?
Theater-AG spielt „Hamlet“
Dieses Jahr stand William Shakespeares „Hamlet“ auf dem Spielplan der Hargesheimer Theaterschaffenden. Unter der Leitung von Martin Müller und Christian Schmitz, die in ihrem dritten Jahr als Verantwortliche von Miriam Eyer bei der Regie unterstützt wurden, zeigte sich abermals, dass Brillanz altersunabhängig ist.
Der Wunsch nach Rache scheint kein guter Ratgeber zu sein. Prinz Hamlet (facettenreich gespielt von Valentin Hahn), wird vom Gedanken getrieben, den Mord an seinem Vater zu vergelten. Jedoch wirkt er blockiert und ratlos und man möchte ihm zurufen: Warum so kompliziert? Oder möchte man das Shakespeare zurufen? Der äußerst präzise agierende Hamlet-Chor trägt das Nötige dazu bei, die innere Zerrissenheit und seelische Verwirrung des Protagonisten gebetsmühlenhaft zu untermalen.
Aber trotz aller Komplexität aus Sprache, Handlungs- und Beziehungsgeflecht schaffen es die jungen Akteure durch eine mehr als beeindruckende Textsicherheit, Klarheit in der Sprache und Ausdrucksstärke im Spiel, die Zuschauer zum Staunen und Verstehen zu bringen. Besonders hervorzuheben ist Samuel Eyer, der den durchtriebenen König Claudius, den Onkel Hamlets, atemberaubend darstellt. Seine Mimik und Gestik scheinen außerhalb der Bühne fast schon Verschwendung zu sein. Hamlets Zaudern und Claudius Wille zur Macht, seine Intrigen und seine Herrschsucht führen letztlich in die Katastrophe. Polonius (mit viel sprachlichem Witz gespielt von Stephen Roth) fällt diesen männlichen Prinzipien ebenso zum Opfer wie sein Sohn Laertes (in jugendlicher Verve dargeboten von David Grünewald) und seine Tochter Ophelia.
Besondere Erwähnung verdienen hier die Darstellerinnen der Ophelia, Tabita Bomhard, und der Königin Gertrud, Anna-Marie Hernig. Sie spielen überzeugend und in all ihrer Verzweiflung und (scheinbaren) Ohnmacht authentisch und mitreißend. Der einzig Überlebende ist am Ende Horatio (souverän gespielt von Sarah Jung), der als Stimme der Vernunft und des Ausgleichs am Ende des Stückes nicht den Tod, sondern das Leben wählt und somit eine (weibliche) Alternative zu den in die Katastrophe führenden männlichen Prinzipien aufzeigt.
Kulisse und Requisiten wurden minimalistisch, klug und ausdrucksstark gewählt. Die Tragödie spielt sich vor einem scheinbar durchsichtigen Hintergrund ab, der von Schwarzlicht angeleuchtet wilde und chaotische Bemalung offenbar werden lässt, die an Schlachtgetümmel oder Urwalddickicht erinnert und Hamlets Wahnsinn versinnbildlicht.
Bei den Requisiten ist das Leitmotiv der Stuhl, der mal als Metapher der Macht, mal als Schwert oder weiß lackiert als menschliche Überreste seine Bestimmung findet und von einem ganz in Weiß gekleideten Chor immer wieder eindrucksvoll in Szene gesetzt wird. So fallen am Ende nicht nur die Charaktere ihrem Rachedurst und Machthunger zum Opfer, sondern ein Stuhl nach dem anderen um. Auch die Zuschauer nutzen die Gelegenheit am Ende des Stückes, um sich von ihren Stühlen zu erheben und dem meisterhaft inszenierten Stück stehend ihre Bewunderung auszudrücken.
In weiteren Rollen:
Sophie Brandes
Anna-Lena Brandt
Lilli Clemens
Annalena Fritz
Moritz Gatzke
Hannah Günster
Elisabeth Heinrich
Elisabeth Keller
Anne Kirsch
Victoria Kunz
Joshua E. S. Rodrigues
Fabian Schmitt
Mona Schmitt
Noah Schowalter
Johanna Schumacher
Franziska Schumacher
Frederic Völpel
Autor: Christian Zuck