Interview mit Vizekapitän Stefan Bell von Mainz 05
Marc Haeberlin: War es vorhin anstrengend? Wir haben ein bisschen zugeschaut.
Stefan Bell: Es ging eigentlich.
Marc Haeberlin: Läuft das Training ungefähr immer so ab?
Stefan Bell: Ja, wir haben immer etwa 20 Minuten Aufwärmen ohne Ball, dann meistens kleinere Spielformen und am Ende dann oft ein Spiel oder ein Turnier.
Marc Haeberlin: Auf kleinem Raum dann.
Stefan Bell: Ja, es wurde dann am Ende größer. Das ist eigentlich unser Standardtraining. Dienstags ist dann auch viel mit Ball am Ende.
Alena Bottlinger: Erst einmal Hallo! S.
Bell: Hallo!
Alena: Danke, dass Sie uns die Möglichkeit zum Interview geben, denn dies ist für einige von uns – denke ich zumindest – sehr interessant. Und wir haben uns ein paar Fragen notiert, die wir Ihnen gerne stellen möchten, unter anderen: Ist Fußball für Sie eine Leidenschaft, ein Hobby oder nur Ihr Beruf? Und was gefällt Ihnen am meisten an diesem Sport?
Stefan Bell: Okay, direkt ´mal eine schwierige Frage zu Beginn. Also, ich habe ganz normal mit 4-5 Jahren angefangen, so wie die meisten anderen auch, ja, da ist es erst einmal Hobby. Leidenschaft, weil das ja das ist, was man am liebsten macht, und man geht dann einfach jeden Tag ´raus und spielt Fußball und irgendwann wechselt das so ein bisschen, wenn man die ersten Profiverträge unterschreibt und dann in der 1. Liga spielt oder allgemein im Profifußball, da wird es natürlich ein bisschen mehr Arbeit, weil es dann auch Routine wird. Ja, weil man dann auch mehr Druck hat und jeden Tag Training. Also, es verschiebt sich dann schon ein wenig von Hobby dann irgendwann zum Beruf, aber es ist natürlich immer noch etwas Besonderes, denn jetzt darf man das, was man als Kind am liebsten getan hat, nun als Beruf ausüben darf.
Marina Koch: Haben Sie Vorbilder im Fußball oder ein Vorbild, das Sie bewundern?
Stefan Bell: Nö, eigentlich nicht. Es gibt viele Spieler, die so jemanden haben, aber das war bei mir eigentlich nie so. Ich hatte auch als Kind nie einen Verein, von dem ich Fan war. Es gibt ein paar gute Verteidiger, von denen man sich einzelne Sachen abschauen kann, aber es gibt jetzt niemanden, von dem ich sagte, dass er mein Vorbild ist.
Alena: Wer ist aus Ihrer Sicht der am schwierigsten zu verteidigende Stürmer in der Bundesliga, gegen den Sie bisher gespielt haben?
Stefan Bell: Es gibt schon ein paar, die herausragen. Haller von Frankfurt, der war letztes Jahr derjenige, der am besten gegen uns spielte. Lewandowski ist ebenfalls schwierig, weil er eigentlich das ganze Spiel über kaum Gefahr ausstrahlt. Dann ist das aber so, dass er die ersten 70 Minuten fast keine Aktion hat und dann schießt er mit der ersten Halbchance ein Tor und du fragst dich, woher der kommt. Und er macht dann ein Tor und das ist dann immer unangenehm, aber was soll´s? Aber sonst gibt es eigentlich alle oder viele Stürmer, die man verteidigen kann.
Marina: Und rechnen Sie sich Chancen in der deutschen Nationalmannschaft aus, dass Sie da einen Platz bekommen könnten?
Stefan Bell: Nö, das glaube ich nicht. Die Zeiten sind vorbei. Als ich jung war, gab es vielleicht einmal eine Phase, wo die Innenverteidiger in der Nationalmannschaft noch nicht so gut waren und ich noch in der U21 der Nationalmannschaft spielte, aber mittlerweile gibt es noch mehr junge Innenverteidiger. Es ist einfach vorbei.
Alena: Sind Sie vor einem Spiel aufgeregt? Mittlerweile spielen Sie schon sehr lange Fußball.
Stefan Bell: Ja klar, ich glaube, dass man am Anfang sehr, sehr aufgeregt ist, das sieht man auch öfter einmal, wenn mehr Spieler agieren, die das erste Mal auf dem Platz stehen. Die sind manchmal richtig aufgeregt. Ja, aber man gewöhnt sich schon daran. Jetzt ist es eher so, dass es wirklich bei Spielen ist, bei denen es um sehr viel geht, am Ende der Saison etwa oder bei Spielen um den Abstieg. Aber so ein normales Bundesligaspiel, da tritt schon ein gewisser Gewöhnungseffekt ein.
Marina: Wo sehen Sie sich in drei Jahren?
Stefan Bell: Das ist eine gute Frage. Ich habe noch bis in den nächsten Sommer hier einen Vertrag. Da wird man sich in den nächsten Monaten einmal unterhalten und dann kann es schon sein, dass ich nochmals bleibe. Aber es kann auch sein, dass ich Lust habe, ´mal ins Ausland zu gehen oder so. Einen Wechsel in Deutschland kann ich mir aktuell nicht so vorstellen, aber dies kann sich auch noch ändern, ´mal schauen.
Alena: Lesen Sie die Artikel, die z.B. nach einem Spieltag in der Presse über Sie veröffentlicht werden, oder machen Sie sich etwas aus der Meinung von anderen, z. B. von der Presse, von Fans oder auch Kritikern?
Stefan Bell: Man schaut schon einmal auf die Kickernote oder so Sachen, man lässt sich davon beeinflussen, aber da muss man selbst als Spieler merken, ob es einem guttut oder ob es einen eher verunsichert, wenn dann so viele Meinungen über sein Spiel liest. Mittlerweile lese ich eigentlich fast gar nichts mehr, denn es ist mittlerweile schon etwas gefährlich geworden, wenn man nach einem Spiel auf Facebook geht oder solche Kommentare liest. Es ist einfach so viel Schwachsinn, der da geschrieben wird von jemandem, der denkt, dass er Ahnung hat. Gerade Kommentare in den sozialen Netzwerken muss man richtig einordnen können.
Marina: Wollten Sie schon immer für Mainz 05 spielen oder war es Zufall, dass Sie hierhergekommen sind?
Stefan Bell: Ich bin ja mal mit 15 hergekommen ins Internat, ich hatte damals noch 1-2 andere Möglichkeiten. Wir hatten uns schon alle anderen Vereine und Internate angeschaut. Ich war auch hier in der IGS, hab´ mir die Schule angeschaut damals und das hat mir so im Gesamtpaket am besten gefallen. Es war jetzt nicht so die Entscheidung nur für den Verein oder die Stadt, weil ich damals noch nicht so viel davon kannte, also eher das Gesamtpaket mit Internat und Schule. Seit 2007 bin ich hier, also schon 12 Jahre. Mainz ist schon meine Heimat geworden.
Alena: War Schule für Sie früher wichtig und welchen Stellenwert hat Bildung heute für Sie?
Stefan Bell: Bevor ich nach Mainz gekommen bin, war ich ja in der Realschule. Ich habe mich da ein bisschen durchgeschleppt. Von der 5. bis zur 8. war ich sehr schlecht, weil ich zu faul war. Ich habe immer im Kopf gehabt, dass die Zeugnisse bis zur 8. Klasse für fast nichts zu gebrauchen sind. Man bewirbt sich erst ab der 9. Da habe ich erst ab der Jahrgangsstufe 9 angefangen, mit anzustrengen, ich habe dann mit einem guten 2er-Durchschnitt abgeschlossen. Ich wäre nach der Realschule wahrscheinlich irgendwo in eine Ausbildung gegangen, aber dadurch, dass ich nach Mainz kam, habe ich hier in Bretzenheim noch mein Abitur absolviert. Im Rückblick war es schon gut, weil ich am Anfang meiner Profikarriere immer das Gefühl hatte, studieren gehen zu können, sollte es nicht laufen. Das war immer ganz gut, da man so das Gefühl hatte, einen Plan B zu haben, wenn es mit dem Fußball nicht klappt. Dann steht man nicht da und hat gar nichts. Es wird ja mittlerweile großen Wert darauf gelegt, dass möglichst viele Abitur machen und einen guten Schulabschluss haben. Jedoch: Dies wird immer schwieriger, da die Profikarriere immer früher anfängt.
Marina: Was wäre denn Ihr Plan B gewesen?
Stefan Bell: Ja, das wäre ein bisschen darauf angekommen, was ich studiert hätte. Das ist eine gute Frage… Ich hätte wahrscheinlich irgendetwas mit BWL oder Wirtschaftswissenschaften studiert und wäre vermutlich im Büro gelandet. Schwer zu sagen, in welchem Beruf ich mittlerweile wäre.
Alena: Wie sieht Ihr Alltag heute als Profifußballer aus?
Stefan Bell: Ja also, der unterscheidet sich je nachdem, ob wir in der Vorbereitung sind oder in der Saison. In der Vorbereitungsphase ist es dann schon so, dass wir meist zweimal am Tag Training haben und eine kurze Mittagspause dazwischen. Da sind wir dann den ganzen Tag mehr oder weniger hier. In der Saison ist es ein bisschen anders. Dienstags steht Doppeltraining an, mittwochs und donnerstags trainieren wir einmal, da sind wir 4 bis 5 Stunden hier. Freitags nachmittags trainieren wir, fahren dann meistens ins Hotel. Wir sind auch bei Heimspielen immer im Hotel. Und dann von Freitagmittags bis Samstagabends kommt es darauf an, ob wir ein Heimspiel haben oder auswärts auflaufen. Beim Heimspiel sind wir schon um 7 Uhr zuhause, beim Auswärtsspiel kann es Mitternacht oder noch später werden. Das hängt von der Anschlusszeit ab. Sonntagmorgens ist nochmals Training in der Regel und dann ist montags eigentlich immer frei. Also kommen wir auf einen freien Tag die Woche.
Marina: Haben Sie ein Lieblingsstadion und wenn ja, wieso?
Stefan Bell: Mhh, es gibt nicht das eine, aber schon ein paar. Wenn man jetzt unseres außen vor lässt, gibt es schon noch 4 bis 5 Stadien, die von der Stimmung her einfach top sind. Schalke, Dortmund, Hamburg und Gladbach finde ich super. Frankfurt muss man auch sagen, deren Stimmung ist klasse. Dann gibt es noch Stadien wie Hoffenheim, Wolfsburg oder Leverkusen, da ist dann zwischendurch nicht so viel Stimmung. Köln ist überragend, aber da bin ich aufgewachsen, in Köln herrscht fast immer die beste Atmosphäre.
Alena: Haben Sie schon einmal mit direkten Wechselgedanken gespielt? Und wenn ja, darf man sagen, welche?
Stefan Bell: Ja, das ist ja jetzt nicht so, dass es jedes halbe Jahr ein Thema ist, sondern man unterschreibt 2- oder 3-Jahresverträge. Meistens ist es so, dass man das ungeschriebene Gesetz im Fußball einhält, sich ein Jahr vor Vertragsende mit dem Verein zusammenzusetzen und dann zu überlegen, ob man verlängert oder nicht verlängern will. Vielleicht will der Verein nicht, dann schaut man eigentlich, dass man einen Transfer macht und der Verein eine Ablöse erhält. Das ist so ein Thema, was so alle zwei bis drei Jahre aufkommt, aber es gab dann auch immer ´mal Phasen, in denen es konkreter war bei mir. Aber ja, ich habe mich dann jedes Mal mit dem Verein zusammengesetzt und Entscheidungen getroffen. Bis jetzt war es noch nie so kurz davor, ich habe immer verlängert, ´mal schauen, wie es jetzt beim nächsten Mal läuft.
Marc Häberlin: Kann ich kurz eine Zwischenfrage stellen? Ich finde das ganz interessant, weil Sie sagen, dass man eigentlich schaut, dass der Verein eine Ablöse bekommt. Ist das allgemein so, dass eigentlich eine gewisse Dankbarkeit dem Verein gegenüber gegeben ist? Hier ist doch eigentlich der Trend der, dass die Spieler ihre Verträge auslaufen lassen.
Stefan Bell: Es geht um viel Geld in dem Geschäft. Der Trend geht eigentlich dahin, dass man ein Jahr vor Vertragsende schaut, ob man verlängert oder nicht. Wenn der Verein nicht will, kann es sein, dass er sagt: „Okay, dann wollen wir dich aber verkaufen, damit wir eine Ablöse erhalten.“ Die Vereine haben es eigentlich nicht gerne, wenn der Vertrag ausläuft, weil der Spieler dann ablösefrei wechseln kann, und das passiert auch echt selten, pro Jahr vielleicht bei ein bis zwei Spielern. Das ist eher so die Richtung, dass der Verein da in der Regel kein Interesse daran hat, wenn es gute Spieler sind, die Ablöse brächten.
Marc Häberlin: Der Vereinsspieler eigentlich schon, der muss ja nicht gehen.
Stefan Bell: Der Spieler eigentlich schon…, aber der Spieler kann auch auf seinen Vertrag bestehen. Es ist sicher schon ´mal vorgekommen, dass der Spieler noch ein Jahr im Vertrag ist, der Verein gerne verlängern möchte, der Spieler aber sagt: „Nein, ich will ein Jahr warten, um dann ablösefrei zu einem Topclub zu gehen.“ Dann gibt es sicher Vereine, die sagen: „Okay, dann setzen wir dich halt nur auf die Tribüne, wir setzen dich eben nicht mehr ein, du sitzt auf der Bank.“ Aber es ist selten so, dass Spieler wirklich ablösefrei wechseln, das sind dann eher die Spieler, die bei dem Verein sowieso keine Rolle mehr spielen.
Marina: Wir kommen von einer katholischen Schule und unsere Frage wäre noch, ob Sie eine Verbindung zwischen Glauben und Fußball sehen.
Stefan Bell: Da bin ich der falsche Ansprechpartner. Also, ich bin katholisch getauft, bin auch relativ katholisch erzogen, aber aus der Kirche ausgetreten. Ich wurde auch nicht gefirmt und habe eigentlich damit nichts mehr am Hut. Ich finde auch, jeder kann seinen Glauben haben, ich finde, es ist wichtig zu unterscheiden zwischen christlichem Glauben, christlichen Werten und katholischer Kirche. Das sind für mich drei komplett unterschiedliche Sachen. Mit den christlichen Werten bin ich erzogen worden und das ist auch so ein bisschen, was unsere Gesellschaft ausmacht, das finde ich top. Glauben brauche ich für mich nicht. Die katholische Kirche, ja, darüber will ich gar nicht reden, das ist halt so.
Alena: Was ist Ihr persönliches Ziel 2019? Oder was haben Sie sich mit Ihrem Team dieses Jahr vorgenommen?
Stefan Bell: Ja, wir gehen eigentlich immer in die Saison, wenn man realistisch ist, und schaut erst einmal, dass wir die Klasse halten. Wenn wir auf die letzten zwei Jahre sehen, erkennt man einen recht langen Abstiegskampf. Wir sind auch von den finanziellen Möglichkeiten her einer der unteren vier bis fünf Vereine. So, wie die Saison bisher läuft und die Mannschaft sich gibt, könnte man in der Mitte der Rückrunde ´mal mit einem Auge nach oben schauen, das wäre schön, wenn wir ein bisschen offensiv einen Mittelfeldplatz anpeilen könnten. Vielleicht ergibt sich sogar die Nähe zu internationalen Plätzen. Ich sage jetzt nicht, dass wir da hereinkommen müssen, aber ich denke schon, dass wir die Möglichkeiten dazu haben, uns von den Abstiegsplätzen fernzuhalten.
Marina: Haben Sie sich als Kind jemals erträumt, ´mal so erfolgreich zu sein?
Stefan Bell: Ja, es gab schon Träumereien. Jeder, der als Kind Fußball spielt, wünscht sich, Profi zu werden, und zwar so wie die im Fernsehen. Aber niemals in der Art: Ich will jetzt Profi werden, viel trainieren und Geld verdienen, das war nie der Fall. Ich wollte einfach immer nur Fußball spielen und gut sein und besser als die in der Mannschaft und dann bin ich immer zu der nächsten oder höheren Mannschaft und da wollte ich wieder der Beste sein und besser als mein Gegenspieler. Das hat sich eben so aufgebaut. Ich glaube auch nicht, dass du mit 7 bis 8 oder 10 Jahren nur Fußball spielst, weil deine Eltern mit dir Geld verdienen wollen, das funktioniert dann nicht. Ich glaube, das geht nur, weil du das wegen des Sport machst und dich verbessern willst. Der Rest kommt automatisch. Ich glaube, wenn das Geld zu früh der Antrieb ist, dann funktioniert das nicht.
Alena: Welcher Moment war für Sie der beste, der unvergesslichste und der schlimmste in Ihrer Karriere?
Stefan Bell: Ja, einen so richtig schlimmen gab es bisher nicht, weil wir zu meiner Zeit noch nie abgestiegen sind. Ich glaube, dass man einen Abstieg nie vergisst. Bis jetzt haben wir es immer gut vermieden. Und was besonders war, war damals in der A-Jugend unsere Deutsche Meisterschaft. Das war 2009 mit Thomas Tuchel als Trainer und André Schürrle in der Mannschaft und das war so in der Jugend das Beste. Die letzten Jahre hatten wir schon einige Spiele. Vor zwei Jahren das 4:2 gegen Frankfurt am vorletzten oder drittletzten Spieltag, ich glaube, es war am vorletzten, da waren wir zwei Minuten vor der Pause, tiefster Abstiegskampf, eigentlich chancenlos und wenn wir verloren hätten, hätten wir in Köln danach punkten müssen. Dabei hatten die sich in der Saison für die Euroleague qualifiziert. Dann haben wir in der zweiten Halbzeit 4 Tore geschossen und das Spiel gewonnen. Trotzdem mussten wir hoffen, dass Wolfsburg nicht punktet und nicht gewinnt und ausgerechnet bei dem Spiel war dann irgendwie ein Gewitter und das hat eine halbe Stunde Verzögerung gebracht und dann standen wir da und mussten eine halbe Stunde warten, bis das Spiel vorüber war, und es hat sich wirklich angefühlt wie zwei Stunden. Es war das einzige Spiel in der ganzen Saison, in der es eine Zeitverzögerung wegen eines Unwetters gab, und es war genau dieses eine Spiel am 33. Spieltag, auf das wir warten mussten, es war brutal. Zum Glück ist es dann für uns gut ausgegangen.
Marina: Wie haben damals Ihre Familie und Ihre Freunde und generell alle Bekannte reagiert, als Sie Profifußballer in der Bundesliga wurden oder es bekannt wurde, dass Sie in der deutschen Bundesliga spielen dürfen?
Stefan Bell: Ja, die haben sich gefreut. Aber es ist ja selten so, dass das über Nacht passiert. Du spielst ja nicht Landes- und am nächsten Tag Bundesliga, es ist ja nicht so, dass es komplett überraschend kommt. Das passiert meistens schrittweise. Man geht nach Mainz, ist in der B-Jugend, in der A-Jugend, dann darf man ´mal bei den Profis mittrainieren, dann ist man vielleicht ´mal auf der Bank bei den Profis, dann hast du das erste Profijahr, in dem ich dann nach München ausgeliehen war und zweite Liga gespielt habe. Das kommt dann so Schritt für Schritt. Erst in meinem 3. oder 4. Profijahr bin ich dann hier in Mainz wirklich Spieler geworden. Also dadurch, dass sich das langsam gesteigert hat, war das jetzt nicht so überraschend.
Alena: Wollten Sie schon immer auf Ihrer aktuellen Position spielen oder wären Sie lieber Stürmer oder irgendetwas anderes geworden?
Stefan Bell: Ich glaube, als Kind will jeder Stürmer sein, aber mit 16 bin ich irgendwann Verteidiger geworden. Vorher war ich auch Stürmer bei uns im Dorfverein, habe auch viele Tore geschossen, aber irgendwann im größeren Verein, als ich dann gegen bessere Gegenspieler antreten musste, war ich relativ schnell ganz nahe an meinen Grenzen. Wegen meiner Körpergröße habe ich mich als Verteidiger empfohlen.
Marina: Fällt es Ihnen schwer, Privates von Beruflichem zu trennen?
Stefan Bell: Ich schaffe es eigentlich ganz gut mittlerweile. Es ist nicht mehr so wie am Anfang einer Karriere. Als junger Spieler muss man eben lernen, dass man das ein wenig trennt. Wenn man jetzt am Wochenende einen Fehler gemacht hat, liest man vielleicht überall in den Zeitungen, wie schlecht man war und dass wegen des Fehlers ein Spiel verloren wurde. Das kann einen die ganze Woche negativ beeinflussen. Das muss man einfach lernen. Es gibt Spieler, die lernen das nie, die sind dann nach zwei Jahren wieder weg aus dem Profigeschäft, weil sie es einfach vom Kopf her nicht hinbekommen. Andere Spieler schaffen es halt, damit ein bisschen lockerer umzugehen. Da muss jeder Spieler selbst seinen Weg finden, wie er sich vielleicht ein bisschen ablenken kann oder so. Tobias Schmitt: Aber die Frage, wenn ich noch einmal nachhaken darf, geht doch in Richtung „Leben als öffentliche Person“. Wenn man dann weggeht, wird man vermutlich direkt erkannt. Ja, das passiert schon, aber man muss schon sagen, dass das hier in Mainz bei den Bundesligaspielern recht entspannt zugeht. Wir können uns gut bewegen. Es gibt Städte, da sind die Fans viel aufdringlicher als hier. Ich glaube, das liegt auch daran, dass Mainz relativ viele Studenten hat. Wenn ich mich in der Stadt bewege, treffe ich auf viele junge Menschen, die dann ein oder zwei Jahre in Mainz sind, vielleicht auch drei, aber nicht so viel mit dem Verein zu tun haben. Das ist eigentlich ganz angenehm hier, in München, als ich Zweitligist war, war das schon viel extremer. Auch von der Presse her ist es hier ganz human. Die ist auch daran interessiert, dass wir in der Bundesliga bleiben. In München z.B. gibt es drei oder vier Boulevardblätter, die müssen dann jeden Tag eine Seite über den Verein schreiben und die haben natürlich dann auch einen ganz anderen Druck, auch Private Storys ans Licht zu bringen. Hier ist es entspannt.
Alena: Jetzt noch ein anderes Thema: Was tun Sie zum Beispiel für die Umwelt oder für den guten Zweck? Unterstützen Sie da irgendetwas oder gar nicht?
Stefan Bell: Es ist schon so, dass ich einen „bösen SUV“ fahre. Das muss ich zugeben, einen Diesel zudem. Ich habe aber eine Freundin, die Umweltwissenschaften studiert, dadurch ist das Thema schon da und man versucht, so viel wie möglich Biolebensmittel zu kaufen und ich esse auch deutlich weniger Fleisch als früher. Das ist auch so ein Trend, den man als Profisportler kennt, wenig Fleisch und wenn dann Bio, Bio-Milch, Bio-Eier…, so Kleinigkeiten eigentlich. Wir haben jetzt auch ein Tier aus dem Tierheim. Ich kann nicht alleine die Welt retten, das ist auch schwer, aber man kann schon seinen gewissen Teil dazu beitragen.
Marina: Das ist nun die letzte Frage von uns beiden. Ist Materielles für Sie sehr wichtig oder eher gar nicht?
Stefan Bell: Irgendwo in der Mitte. Also, ich glaube, ich bin jetzt nicht der Fußballprofi, der mit seinem Statussymbol auffallen will. Da gibt es vermutlich andere, die sich ein bisschen über Kleidung definieren oder über Autos, das ist bei mir ein bisschen entspannter. Ich glaube, das kommt auch daher, dass ich in meinem Freundeskreis die Leute eher aus der normalen Welt kommen. Ich bin nicht so oft mit Fußballern unterwegs, die haben schon ein anderes Bild. Klar, ich habe mir auch ein Auto gekauft, worauf ich Lust habe, aber das hat jetzt auch keine 500 PS, weil das unnötig ist. Ich glaube, da bin ich relativ human unterwegs. Wenn ich auf etwas Lust habe, dann kaufe ich es mir, aber ich muss auch nicht übertreiben.
Marc Haeberlin: Wir haben uns gestern noch einmal ein bisschen über Sie informiert im Internet und ein paar von den Jungs haben als Erstes gegoogelt: „Stefan Bell Auto“. Das hat sie natürlich interessiert. Welches Auto fährt er? Wie viel verdient er? Solche Dinge waren erst einmal bei manchen da und dann sind wir auf dieses WELT-Interview gestoßen, das hat Simon auch dabei und dann haben wir eigentlich ein Bild gekommen, das einen Fußballer zeigt, der reflektiert an die Sache herangeht. Das haben wir jetzt ja auch gehört. Lässt sich das Bild von den Fußballerprofis positiv beeinflussen? Was man oft liest und worüber gesprochen wird, vermittelt nicht eben ein positives Bild.
Stefan Bell: Ja, ähm… Ich weiß gar nicht mehr, was ich in diesem WELT-Interview gesagt habe, aber…
Marc Haeberlin: Dass Sie auch für weniger Geld z.B. spielten oder dass es halt nicht so im Vordergrund steht…
Stefan Bell: Klar ist das jetzt bei mir so. Ich sage ´mal so, du hast normale Leute im Fußball, die Profis sind, und wir sind so ein bisschen wie der Querschnitt der deutschen Gesellschaft. Wir sind ganz normal bodenständig erzogen. Es gibt natürlich auch Leute im Fußballgeschäft, die haben einen ganz anderen Umgang mit Geld.
Tobias Schmitt: Werden die Spieler denn von dem Verein aus medienmäßig geschult, wie man sich in Interviews zu präsentieren hat/kann/sollte?
Stefan Bell: Ja, also zu meiner Zeit, als ich zum Verein kam mit 10, 11, 12, da hatten wir das noch nicht. Man macht ein Interview, wahrscheinlich ist es am Anfang so, dass mehr von der Presse dabei sind, die dann mehr darüber schauen und die Fragen vorher absprechen. Dann bekommt man am Ende eine Rückmeldung, hier das hättest du so oder so formulieren können.
Max Bernhard: Gibt es Vereine für Sie, die Sie gar nicht mögen, oder Spieler in der Bundesliga?
Marc Haeberlin: Namen wollen wir jetzt hören.
Stefan Bell: Ja, ich habe mich schon ´mal gefreut, als Hamburg abgestiegen ist, gar nicht wegen des Vereins, die Stimmung ist immer top da! In der Saison, als wir abgestiegen sind, waren wir vier oder fünf Tage vor Schluss da und das war das Spiel, das wir 0:0 gespielt haben. Mit Platzverweis und Elfmeter gegen uns. Die eigenen Fans, die Hamburger Fans, haben vor dem Anpfiff ihren eigenen Torwart mit Plakaten und so fertiggemacht und beleidigt. Der hat dann auch ein überragendes Spiel gemacht. Wenn man so dumm sein kann in dem Spiel um den Endspiel-Abstieg, seinen eigenen Torwart vor dem Spiel zu beleidigen, dann hast du es nicht anders verdient.
Simon: Haben Sie schlechte Erfahrungen mit Fans anderer Vereine?
Stefan Bell: Bis jetzt nicht.
Noah: Hat Ihre Rückennummer für Sie irgendwie eine persönliche Bedeutung oder ist das einfach nur eine Nummer?
Stefan Bell: Ja, also bei mir ist es tatsächlich einfach eine Nummer gewesen. Als ich im Winter 2012 aus Frankfurt zurückkam, dorthin war ich für ein halbes Jahr ausgeliehen. Dort war, so glaube ich, die 24 frei, die 16 wurde frei, weil Florian Heller, meine ich, die damals hatte. Er ist im Winter gegangen und dann habe ich einfach die kleinste Nummer genommen, die noch frei war. Ganz unspektakuläre Antwort – leider. Ist keine schöne Geschichte dahinter.
Noah: Haben Sie Freunde in anderen Vereinen oder ist da gar kein Kontakt mit den Spielern?
Stefan Bell: Doch. Es ist halt so, dass man mit sehr vielen irgendwann zusammengespielt hat. Bei mir ist es so, dass ist drei Leute habe, mit denen ich sehr viel zu tun habe. Die spielen auch in anderen Vereinen, aber es ist nicht so, dass man mit jedem, mit dem man ´mal zusammengespielt hat, lange Kontakt hält, dafür sind es auch zu viele.
Noah: Wer sind diese drei Spieler?
Stefan Bell: Philipp Klement, der ist beim SC Paderborn, Christoph Moritz bei Hamburg und Julian Koch, der ist in Budapest. Sonst gibt es noch ein paar, mit denen man sich ab und zu ´mal schreibt, aber dafür sind es auch zu viele Wechsel.
Unsere letzte Frage: Haben Sie noch Kontakt zu anderen Vereinen, für die sie mal gespielt haben? Sie wurden beispielsweise nach Eintracht Frankfurt ausgeliehen.
Stefan Bell: Ja, ich war da nur ein halbes Jahr und von den Leuten her war das da ganz cool damals. Es sind ja nicht mehr so viele Spieler mehr da. Mit dem Verein selbst habe ich nichts Besonderes am Hut. Es gibt ein, zwei Leute wie den Teammanager oder den Physiotherapeuten, sie kenne ich. Mit ihnen rede ich, wenn ich sie sehe. Von den Spielern ist, glaube ich, nur noch Marco Russ da, der war auch damals schon da, und Sebastian Rode, der wieder zurück ist. Mit ihm bin ich relativ gut befreundet.
Vielen Dank!